Der erste Hahnenkammsieger als Kriegsverbrecher
Archivale des Monats März 2024
Tiroler Landesarchiv

Das Hahnenkammrennen in Kitzbühel mit der Abfahrt auf der „Streif“ hat im Alpinen Skiweltcup Kultstatus erreicht. Der geschätzte Umsatz des Wochenendes im Raum Kitzbühel beträgt heute 47 Mio. Euro.

Die erste Austragung im März 1931 ließ die künftige Weltbekanntheit noch nicht erahnen. Einzig der Tiroler Anzeiger widmete dem Werbelauf des Wintersportvereins Kitzbühel eine Randnotiz: Bei herrlichem Firnschnee und prächtigem Wetter sausten die Läufer zu Tal und sind die gefahrenen Zeiten als hervorragend zu bezeichnen. Der Abfahrtslauf hatte 26 Skiläufer zur Teilnahme bewogen, die Podestplätze gingen an Fahrer aus Kitzbühel. Die Slalom- und Kombinationsläufe brachten weniger Teilnehmer auf die Piste. Das Rennen dürfte für die Organisatoren ein voller Erfolg gewesen sein, denn nur ein Jahr später erhielt man die Genehmigung für die Internationalisierung, sodass es nun offiziell unter dem Namen „Hahnenkammrennen“ firmierte. Erster Abfahrtssieger 1931 war der Kitzbühler Ferdinand (Ferdl) Friedensbacher mit einer Zeit von 4:34,12 Minuten. Nur neun Läufer schafften es ins Ziel.

Der Name Friedensbacher poppt immer wieder an runden Jubiläen auf. Weniger bekannt ist seine Rolle im Zweiten Weltkrieg und seine Involvierung in Kriegsverbrechen. Der 1911 geborene Friedensbacher war beruflich ab 1931 beim österreichischen Bundesheer und später als Gendarm tätig. Bekannt durch seine sportlichen Erfolge, wurde er in der NS-Zeit im August 1939 zur Gestapo-Stelle in Innsbruck versetzt und konnte bald darauf in der Geheimen Feldpolizei die Karriereleiter nach oben steigen.

Friedensbacher wurde schließlich auf Kreta zum Leiter der Feldpolizei-Außenstelle in Agios Nikolaos ernannt. Seine Einheit beging in der Umgebung Kriegsverbrechen, unter anderem dokumentierten Zeitzeugen die Plünderung eines Klosters und die Ermordung der Mönche. Friedensbacher selbst hatte im Mai 1944 einen griechischen Widerstandskämpfer exekutiert. 1970 musste er sich vor einem Geschworenengericht in Innsbruck der Mordanklage stellen. Zeugen sprachen auch von Folterungen. Das Urteil, den Tatbestand als Totschlag statt als Mord zu werten, führte zur Verjährung und damit zum Freispruch Friedensbachers. Das Urteil rief einiges an medialem Gegenwind hervor.

Ivan Stecher, Tiroler Landesarchiv

Archivale: Tiroler Landesarchiv: Landesgericht Innsbruck, Vr 415/70

Quellen: Allgemeiner Tiroler Anzeiger, 31.3.1931, S. 10. I Salzburger Volksblatt, 18.3.1932, S. 22.

Literatur: Andreas Praher, Österreichs Skisport im Nationalsozialismus. Anpassung – Verfolgung – Kollaboration, Berlin/Boston 2022, S. 362–366.

Bildnachweis: Stadtarchiv Kitzbühel, HKR 1932 I MuK/1188