Fischen für den Fürstabt
Archivale des Monats Juni 2025
Stiftsarchiv St.Gallen

Seit dem späten 15. Jahrhundert sind Bestallungsurkunden überliefert, mit denen Fischer in den Dienst des Klosters St. Gallen genommen wurden, um die hoheitlichen Fischereirechte auszuüben und das Kloster und dessen Statthaltereien mit Fisch zu versorgen. In den frühesten Bestallungen wurde nicht nach Zuständigkeitsgebieten unterschieden und der Klosterfischer scheint für das ganze Territorium des Klosters zuständig gewesen zu sein. Ab 1498 wurde zwar das Haus des Fischers im Baumgarten in Gossau SG erwähnt, er hatte aber seine Fische weiterhin sowohl in das Kloster St. Gallen als auch in den Hof zu Wil zu liefern, eine klösterliche Nebenresidenz, die von einem Konventualen von St. Gallen als Statthalter verwaltet wurde. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts sind Bestallungen für einen eigenen Fischer in Wil erhalten, dazu einige separate Verleihungen von einzelnen Fischenzen. Der in Gossau stationierte Fischer scheint dann nur noch für den östlichen Teil der Stiftsherrschaft verantwortlich gewesen zu sein.

Im Vergleich zu den älteren Bestallungen haben sich die Aufgaben des Fischers in dieser Urkunde verändert; die Fischerei in Fliessgewässern, früher an erster Stelle des Pflichtenheftes genannt, spielte 1696 gar keine Rolle mehr. Der Schwerpunkt hatte sich zur Teichwirtschaft verlagert; im Territorium des Klosters St. Gallen gab es rund 60 Fischweiher. Zu den Aufgaben des Fischers gehörte nicht nur, die Fischweiher zu beaufsichtigen und instand zu halten, sondern auch, diese im Winter eisfrei zu halten: […] solle ein Fischer zue Goßauv verbunden sein, Winterszeit das Eys in dem Goßauver Weyer zue brechen, zue übrigen Weyeren gleiche sorgsam tragen […].

Die Urkunde ist nicht besiegelt. Stattdessen wurde sie vom Statthalter von St. Gallen und vom Fischer unterschrieben. Zusätzlich wurden die Exemplare für beide Parteien übereinandergelegt und ein identisches Stück am unteren Rand herausgeschnitten.

Michael Nadig, Stiftsarchiv St.Gallen


Archivale: Stiftsarchiv St. Gallen: Zürcher Abteilung X 110b, Nr. 68.

Literatur: Moeschlin, Kathrin: Vivaria – Fischweiher (vvaldo vademecum I), Lindenberg i. A. 2021.