Stiftsarchiv St. Gallen

Vorstellung

Das Stiftsarchiv St.Gallen, heute gemeinsames Eigentum von Kanton und Katholischem Konfessionsteil, umfasst die Weltliches und Kirchliches betreffenden Rechtsdokumente und Verwaltungsakten der Abtei St.Gallen etwa vom Jahr 720 bis zu ihrer Aufhebung im Jahr 1805. Besonders wertvoll sind die rund 750 Privaturkunden aus der Zeit von etwa 720 bis 960 sowie fast 100 karolingische und ottonische Herrscherdiplome. Für die quellenarme Zeit des ersten nachchristlichen Jahrtausends sind diese Dokumente von Bedeutung für das Gebiet der heutigen Kantone St.Gallen, beide Appenzell, Thurgau, Schaffhausen, Zürich, Aargau, beide Basel, Bern, Graubünden, Schwyz, für das Elsass, für Süddeutschland (Baden-Württemberg und Bayern) und für Vorarlberg. Bis zur Französischen Revolution birgt das Stiftsarchiv für grosse Gebiete des heutigen Kantons St.Gallen und einige angrenzende Regionen einen bedeutenden Teil an historischen Quellen und Zeugnissen. Es erfüllt damit für diesen Zeitraum die Funktion eines Landesarchivs.

Als zweiten Hauptbestand verwaltet das Stiftsarchiv die Archivalien der 1838 aufgehobenen Abtei Pfäfers (gegründet etwa 750) samt ihrer durch einen Brand im 17. Jahrhundert dezimierten Bibliothek, die noch rund 40, zum Teil frühmittelalterliche Handschriften zählt.

Unter den weiteren Beständen sind besonders hervorzuheben: Die Archivalien des ehemaligen Benediktinerinnenklosters St. Wiborada in St. Georgen (St.Gallen), das Familienarchiv von Thurn-Valsassina, die noch erhaltenen Dokumente des adligen Damenstifts Schänis, das Depositum der Katholischen Administration sowie der Nachlass des letzten St.Galler Fürstabts Pankraz Vorster.

In seinem Ausstellungssaal vermittelt das Stiftsarchiv seine Bestände sowie die Bedeutung von Archiven in einem musealen Kontext.

Länderübergreifende Bestände

Zahlreiche Ortschaften Bayerns und Vorarlbergs im alemannischen Raum werden in den frühen Traditions- und Herrscherurkunden des 7. bis 10.Jh. erstmals erwähnt. Als St.Galler Besitz sind in den frühen Traditionsurkunden folgende bayerische Orte zu nennen: Balzhofen, Dietfurt, Eggatsweiler, Fischen, Frauenzell, Heimhofen, Hettisried, Lindenberg, Mittelhofen, Mitten, Myweiler, Niederpappenheim, Oberstaufen, Opfenbach, Pappenheim, Rauhenzell, Reitnau, Rickenbach, Schambach, Stiefenhofen, Waltrarns, Wengen, Weiler und Scheidegg; als sogenannte Actum-Orte kommen hinzu Forchheim, Wasserburg und Weiler.

Auch in Vorarlberg ist früher St.Galler Besitz belegt: Altenstadt, Bludenz, Brederis, Bregenz, Dornbirn, Dums, Gwiggen, Höchst, Hohenweiler, Klaus, Lauterach, Leiblach, Lustenau, Nüziders, Rankweil, Ranshofen, Röthis, Schlins, Viktorsberg, Ziegelbach; als sogenannte Actum-Orte kommen vor: Bregenz, Bürs, Höchst, Leiblach, Lustenau, Nüziders, Rankweil, Ranshofen, Röthis, Schlins.

Es handelt sich hier vor allem um Besitz, der nur in diesen frühen Urkunden und später nicht mehr belegt ist. Verkaufsurkunden sind kaum erhalten. Eine Ausnahme bildet Röthis, das im 15. Jh. an das Churer Domkapitel veräußert wurde. Hinzuweisen ist auf den geschlossenen Bestand der von einem Folkwin stammenden rätischen Urkunden des 9. Jh. Die älteste in Vorarlberg ausgestellte und Besitz um Bregenz berührende Urkunde von 802 liegt im Stiftsarchiv St.Gallen.

Als königliches Lehen ist in den Akten-, Urkunden-, Bücher- und Lehenbeständen bis in die Neuzeit Weiler im Allgäu nördlich von Bregenz zu erwähnen. Höchst, das mit dem linksrheinischen St. Margarethen zeitweise eine politische Einheit bildete, ist mit zahlreichen Bezügen in den Akten der Neuzeit vertreten.

Die Bregenzer Herrschaft berühren auch Urkunden der Jahre 1338 bis 1735 in den Abteilungen PP 2, PP 3, CCC 1 (St.Galler Lehen u.a. in Lustenau, Höchst, Gaißau u.a.), FFF 2, 3 (u.a. Lehen des Lindauer Spitals und des Gotteshauses Löwenthal), FFF 4 (St.Galler Lehen in der Herrschaft Bregenz).

In den Rubriken 14–28 des Aktenarchivs findet sich Schriftgut zu den auswärtigen Beziehungen (einschließlich Handel) der Fürstabtei St.Gallen u.a. zu Spanien-Mailand (1604–1707). Rubrik 30 (inkorporierte Klöster) betrifft auch Massino am Lago Maggiore. Rubrik 152 enthält Akten zu der St.Gallen inkorporierten Pfarrei Wasserburg (Bodensee) und Rubrik 144 zu Adel und Ritterschaft in Schwaben, darunter die Familien Bodman, Hundpiss, Montfort, Prassberg, Ratzenriet, Sehellenberg und Syrgenstein.

1555 wurde der Fürstabtei St.Gallen die Abtei St. Johann im Thurtal inkorporiert, die eine Reihe von Besitzungen in Vorarlberg (Klaus, Kalchern, Feldkirch) besaß.

Die im 8. Jh. gegründete Abtei Pfäfers hatte auch in Vorarlberg, besonders in Rankweil und in der Feldkircher Gegend, verschiedene Besitzungen, was durch urbarielle Einträge im Verbrüderungsbuch „Liber Viventium“ (Cod. Fab. 1) und auf Rödeln sowie auch urkundenmäßig seit dem Spätmittelalter seinen Niederschlag gefunden hat. Als ursprünglich rätisches Kloster hatte Pfäfers umfangreichen Besitz in Graubünden und im rätischen Teil von Vorarlberg. In Graubünden gehörten zur Pfäferser Besitzlandschaft Fläsch, Maienfeld, Malans, lgis, Untervaz, Domat/Ems, Flims, Siat, Ladir, Ruschein, Mons und weiterer Streubesitz wie z.B. am Splügen. Die größeren Komplexe haben Aufnahme in die Urbare des 15. bis 18. Jhs. gefunden, vieles ist urkundlich nachgewiesen. Nach Aussage des churrätischen Reichsguturbars besaß Pfäfers auch Güter in Nals und Morter im Vinschgau.

Im Verbrüderungsbuch von St.Gallen finden sich Listen von Mönchen aus Disentis, in dem von Pfäfers (Liber Viventium Fabariensis, angelegt im 9.Jh.) von Mitgliedern verbrüderter Kommunitäten und von Wohltätern aus Disentis, Müstair, Biasca, Sant’Abbondio-Como und Civate bei Lecco am Comer See.

Aus der personalen Zusammensetzung der Abtei, die ein der Eidgenossenschaft „Zugewandter Ort“ war, resultieren schließlich eine Reihe von Bezügen in den süddeutsch-österreichischen und in den lombardischen Raum hinein und somit zu verschiedenen Ländern der ARGE ALP. Genauere Hinweise kann das Profeßbuch von P. Rudolf Henggeler geben. Auch aus der Tatsache, dass St.Galler und Pfäferser Mönche an katholischen Universitäten wie Dillingen und Ingolstadt sowie Salzburg studierten, sind Beziehungen dieser Klöster zu benachbarten Ländern der ARGE ALP herzuleiten.