Staatsarchiv Bozen

Vorstellung

Die Errichtung des Staatsarchivs Bozen erfolgte im Zusammenhang mit der im Vertrag von Saint-Germain von 1919 bestimmten Abtretung der südlich des Alpenhauptkamms gelegenen Gebiete des ehemaligen Kronlandes Tirol und Vorarlberg an das Königreich Italien.

Es wurde 1921 als Sektion des Staatsarchivs Trient errichtet und mit königlichem Dekret vom 2. Juni 1930, Nr. 862, zu einem selbstständigen Staatsarchiv mit Zuständigkeit für die 1927 eingerichtete Provinz Bozen erhoben. Zu seinem ersten Leiter (1921–1927) wurde der gebürtige Südtiroler und spätere Vorstand des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung und Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs Leo Santifaller ernannt.

Beim Archivgut, das Santifaller für den Aufbau des neuen Staatsarchivs übernehmen konnte, handelte es sich um Bestände, die die Republik Österreich im Sinne von Artikel 93 des Friedensvertrags an Italien extradiert hatte und aus dem Landesregierungsarchiv in Innsbruck sowie aus dem Staatsarchiv in Wien stammten. Der historisch bedeutsamste Bestand war der 1803 nach der Säkularisation von staatlicher Seite eingezogene Teil der Brixner Hochstiftsarchive. In der Folge bekam das Staatsarchiv Zuwachs vor allem durch Abgaben der staatlichen Behörden im Zuständigkeitssprengel.

Erster Sitz des Staatsarchivs war das in Altstadtnähe gelegene Schloss Maretsch aus dem 13. bzw. 16. Jahrhundert. Der stadtbildprägende Bau eignete sich freilich kaum für die sachgerechte Unterbringung von Archivgut, so dass dort der Benutzerverkehr 1965 eingestellt werden musste. Im Staatsgesetz vom 11. März 1972, Nr. 118, das die Abtretung von staatlichen Zuständigkeiten an die Provinz Bozen im Sinne des zweiten Autonomiestatutes beinhaltet, wurde sowohl die Einrichtung eines Südtiroler Landesarchivs als auch die kompetenzmäßige Aufteilung der Bestände des Staatsarchivs Bozen zwischen dem Staat und dem Land Südtirol vorgesehen. Die Landesverwaltung verpflichtete sich dabei, für das Landesarchiv wie für das Staatsarchiv durch Errichtung eines Zweckbaus das leidige Raumproblem zu lösen. Bis zu dessen 1985 erfolgter Fertigstellung war das Staatsarchiv in einer aufgelassenen Werkhalle in einem Bozner Gewerbegebiet untergebracht.

Mit dem Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 1409 vom 30. September 1963 wurde das Archivwesen in Italien und die damals noch beim Innenministerium ressortierenden Staatarchive umfassend neu geregelt. Dabei wurde u. a. die Einrichtung von Archivschulen an insgesamt 17 Staatsarchivstandorten bestimmt, darunter auch in Bozen. Die seitdem stattfindenden zweijährigen Lehrgänge befähigen zum Eintritt in den gehobenen und höheren Archivdienst.

Das Staatsarchiv Bozen ist ein peripheres Amt des italienischen Kulturministeriums seit dessen Errichtung im Jahr 1975 und untersteht der Generaldirektion der Archive in Rom. Es verwahrt gegenwärtig Schriftgut aus 12. Jahrhunderten im Umfang von rund 4000 Regalmetern.

 

Länderübergreifende Bestände

Das Staatsarchiv Bozen verwahrt Unterlagen staatlicher Dienststellen und Einrichtungen, deren Zuständigkeiten auch über die Grenzen der heutigen Provinz Bozen hinausreichten. Dabei ist in erster Linie das Hochstift Brixen zu erwähnen: Als geistlicher Fürst hatte der Bischof Sitz und Stimmrecht im Reichstag, verfügte in Regensburg über einen Hof und bezog Einkünfte aus dem Amt Teugen (Bayern). Zum Hochstift gehörten unter anderem die Gerichte Fassa (Trentino) und Anras (Tirol), der Brixner Diözesansprengel umfasste neben dem Eisack- und dem Pustertal auch das Wipptal und das Inntal von der Finstermünz bis Jenbach (Tirol), sowie Buchenstein und Cortina (heute Provinz Belluno). Die Sprengel der als staatliche Mittelbehörden im 18. Jahrhundert eingeführten Kreisämter reichen ebenfalls über Südtirol hinaus, so gehörten zum Kreisamt Pustertal das heutige Osttirol, sowie Buchenstein/Livinallongo und Cortina d’Ampezzo (Provinz Belluno), zum Kreisamt Bozen das Fassatal (Trentino).